Sonderausstellung im Haus Westerhoff


Eine wichtige Etappe innerhalb des Gesamt-Projektes der Bentheimer Stiegenfreunde, die historischen Verkehrswege zu erhalten, stellte eine Sonder-Ausstellung zum Thema im Haus Westerhoff im Juni/Juli 2022 dar (in Kooperation und mit Unterstützung des Sandsteinmuseums Bad Bentheim).

Für Alle, die nicht zur Eröffnung kommen konnten, hier noch einmal der Text der Ansprache anläßlich der Vernissage, zum Nachlesen.
 
Blick auf Haus Westerhoff
 
 
 DAS FASZINOSUM DER SCHMALEN VERKEHRSWEGE

Die sich Ihnen gleich öffnende Sonderausstellung "Historische Stiegen" ist - soweit das die räumlichen Möglichkeiten und finanziellen Mittel zuließen -, auf einem modernen Museumsstandards genügenden Niveau: gut lesbare Texte, eine die Ausstellung begleitende stark bebilderte Publikation, spannende Fotografien aus unterschiedlichsten Quellen, die hochvergrößert wurden sowie eine in Dauerschleife laufende Bildschirm-Präsentation, die Ihnen in 17 Minuten in Texten und Fotos die wesentlichen Aspekte prägnant nahebringen kann (sie läuft in der Küche von Haus Westerhoff).

Gerade WEIL diese Bildschirmpräsentation ständig verfügbar sein wird in der Ausstellung, habe ich mir vorgenommen, in meiner Ansprache etwas ANDERE Schwerpunkte zu setzen. Wir Deutsche leisten uns den Luxus eines Nationaldichters, Johann Wolfgang von Goethe, und ich finde, der darf zu einem solchen Anlaß auch mal ran, oder? Und: Goethe liefert ab! Im ersten Teil des FAUST sinniert dieser in der Nachtszene über Tradition und Gegenwart das sattsam bekannte und eben auch heute sehr zitable: "Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen."

Was, bezogen auf UNSERE Situation doch nichts Anderes heißen kann als: Wir HABEN reichlich Stiegen, aber es kostet uns Mühe, sie zu einem Teil unseres Bewußtseins zu machen, und da es SEHR viele sind in Bad Bentheim, erscheint diese Aufgabe SO groß, daß es uns leichter vorkommt, sie gar nicht erst anzugehen, gäbe es da nicht eine noch viel ältere hilfreiche Stimme, sie stammt von Lao-Tse: "Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt."

Dieser schlicht daherkommende Satz des chinesischen Denkers Lao-Tse, lockere 2.600 Jahre alt, beschreibt die Situation der Bentheimer Stiegenfreunde und der Bentheimer Stiegen treffend: die schiere Zahl (es gibt weit über 50 dieser historischen Wege) und ihr zum Teil trauriger Zustand, und das in einem sozialen Gefüge, das man selbst beim besten Willen nicht als eine Fußgängergesellschaft charakterisieren kann, das sind richtig schlechte Voraussetzungen für diese schmalen, auf den ersten Blick unscheinbar wirkenden historischen Verkehrswege, deren Faszinosum wir hier in der Sonderausstellung nachspüren. Andererseits: in dem Lao-Tse-Zitat: "Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt" schwingt der Gedanke mit: es gibt keinen Grund mutlos zu sein: liegt ein langer Weg vor Dir, dann ist das so, leg einfach los.

Im Grunde haben wir exakt DAS gemacht. Wir, die Bentheimer Stiegenfreunde, eine bewußt lose, nicht in Vereinsform organisierte Interessengemeinschaft haben erkannt, daß es lohnt, sich für diese historischen Bentheimer Verkehrswege einzusetzen, weil diese - modern formuliert - dringend einer Lobby bedürfen: oft zugekleckert mit Asphalt anstelle einer echten Sanierung, bis vor Kurzem teilweise namenlos geblieben, langzeitlich vernachlässigt, da bekommt das Wort "un-bekümmert" einen ganz neuen Sinn. Im Extremfall waren und sind Stiegen sogar von Schließung oder Überbauung bedroht. Da ist es sehr hilfreich, daß es Menschen wie Jürgen Schevel gibt, die - zusammen mit Mitstreiterinnen und Mitstreitern - die klare Auffassung vertreten: hier muß etwas geschehen.

Ich selbst bin erst relativ spät dazugekommen, nämlich nachdem ich einen Artikel in den 'Grafschafter Nachrichten' lesen konnte, in welchem Bildmaterial zum Thema nachgefragt wurde. Die Stiegenfreunde hatten da bereits den Plan, irgendwann eine Sonderausstellung im Bentheimer Sandsteinmuseum zu realisieren, aber zunächst galt es, dem Projekt eine Struktur zu geben. Ich habe spontan angeboten, aus dem bereits vorhandenen Bildfundus eine Homepage zu entwickeln, weil es nach meiner Einschätzung die eindeutig beste Möglichkeit bietet, vielen Menschen ein Spezialthema so richtig nahezubringen, weil es dabei nicht verpflichtend ist, linear vorzugehen, von Seite 1 über 2 zu 3, sondern interessegeleitet, sozusagen blumenpflückend, eben - wie die Erstellungsmethode das bereits im Teil der Abkürzung trägt: HTML, HYPERTEXT. (Falls sie unsere Homepage noch nicht kennen: im letzten nördlichen Raum hier im Haus Westerhoff steht auf einem Schreibtisch ein PC mit der aktuellen Fassung der Homepage, Sie können sich gern hinsetzen und es ausprobieren.) Steht das Grundgerüst einer solchen Homepage erst einmal fest, kann man - mosaiksteinartig zuliefern - "Butter bei die Fische packen", wie wir im Norden sagen, wann immer neues Material eintrifft.

Für die Mehrzahl der Stiegen GAB es gar keine Fotos, sie waren halt da, aber im frühen 20. Jahrhundert, als Lichtbilder noch etwas Besonders und auch Teures waren, kaum bildwürdig. Daher standen wir vor der Aufgabe, sie mit einer Kamera in der Hand, nach und nach zu erfassen. Oft trafen wir dabei auf Menschen, die uns zum Teil fragten, was wir da machen, und das Erstaunliche war, daß wir KEINEN EINZIGEN FALL einer negativen Reaktion erlebten; immer hieß es: das finden wir GUT, daß sich jemand um die alten Stiegen kümmert. Wir hatten also Rückenwind, auch in Form von Zulieferungen von Sammlern. Die Zeit war in sofern günstig, als heutzutage sehr moderate Preise für Nutzungsvolumen auf einem Internet-Server die Regel sind und wir auf kostenloses, nicht lizenzgebührpflichtiges Stadtkartenmaterial zurückgreifen konnten bei unseren Detaildarstellungen.

Was haben wir hier mit Ihnen vor? Uns war von vornherein klar: unsere Hauptdarsteller sind die relativ wenigen historischen Stiegen-Aufnahmen, die sich erhalten haben. Wir haben sie so hoch vergrößert, wie es die Vorlage erlaubte, um ihren exemplarischen Charakter, den oft spröden Charme hervortreten zu lassen, also KLASSE statt MASSE. Als wir gestern nochmal einen Rundgang machten zur letzten Überprüfung, hatte ich das Empfinden, daß das angesichts des begrenzten Platzangebotes genau der richtige Weg war.

Es macht Freude, die BB Stiegen-Vielfalt zu entdecken: oft nur wenige Meter lang, schmal, und oft erstaunlich SCHNELL! Lassen Sie mich das an einem Beispiel verdeutlichen: ich wohne zur Zeit im Süden von Bentheim, in der Stettiner Straße. Wenn ich meine Freunde auf dem Kathagen, die Familie Austrup besuchen möchte, mit dem Auto, OHNE eine Stiege zu benutzen, ist das ein ziemlich weiter Weg dorthin: über die Posener Straße zur Südstraße, bis zum Kreisel am Friedhof, dann die Ochtruper Straße hoch fast bis zum Pariser Platz (eine dem Fahrziel entgegengesetzte Richtung!), rechts hoch in die Straße "Am Wasserturm" und den langen Kathagen entlang, ich hab's auf Google Earth nachgemessen: 2.430 Meter, exakt. Und im Kontrast dazu: MIT Stiegennutzung? Mit meinem Fahrrad bis zum Ende der Klapperstiege, dann "Im Stegehoek", die nette kleine "Püttenhoekstiege" queren (schon bin ich im Ostend), die Lippoldstiege hoch, Obere Flossstege, Stienekerstiege, Ziel erreicht, ich hab's gestoppt: 7 Minuten, Fahrrad OHNE Elektroantrieb, Entfernung: knapp 1.100 Meter, also REICHLICH weniger als die Hälfte, das ist schon faszinierend, oder?

Aber so nostalgisch anrührend die Aufnahmen in der Ausstellung auch sein mögen, es handelt sich hier nicht um eine Kunstausstellung mit vornehmlich ästhetisch orientierten Absichten, sondern um eine regionalpolitische Aktion: die Bentheimer Stiegen könnten in der Zukunft eine Rolle spielen, die sie im bisherigen touristischen Dreiklang (Burg, Bad, Bühne) noch nie innehatten. Bad Bentheim könnte gewinnen!

Die Stadt besitzt durch die schiere Menge an Stiegen ein echtes Alleinstellungsmerkmal - wir haben das geprüft -, bundesweit, also in ganz Deutschland gibt es keine andere Stadt mit so vielen historischen Verkehrswegen mit dieser Charakteristik. Bentheim KÖNNTE also mit einem weiteren touristischen Pfund wuchern, ein wirklich vorzeigbarer baulicher Zustand und ein strukturierter Pflegeplan (eine 'Stiegensatzung') vorausgesetzt.

Die Bentheimer Stiegenfreunde haben reichlich Vorarbeit dazu geleistet, beginnend mit dem detaillierten Stiegenkataster von Jürgen Schevel und Hunderten von dokumentarischen Fotografien auf der Homepage, auch von mir an dieser Stelle mein herzlicher Dank an Alle, die Fotos zu diesen Projekt beigesteuert haben. Man muß unseren Nationaldichter v. Goethe nicht zwingend mögen, aber seine schon eingangs zitierten Faust-Zeilen: "Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen", geben hier einen sinnvollen Weg vor.

Je mehr Menschen bereit sein werden, sich für den Erhalt bzw. die Wiederherstellung dieser sehr besonderen Bentheimer Verkehrswege einzusetzen, umso besser. Ich bin mir sicher, daß diese Ausstellung dazu beitragen wird, diesen historisch gewachsenen Wegen wieder zu neuem Glanz zu verhelfen. Sie ist jetzt eröffnet! Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Dr. Horst Otto Müller, 26. Juni 2022


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In der Ausstellung lief in Dauerschleife eine Bildschirmpräsentation,
bewußt lautlos, um die Besucherinnen/Besucher nicht zu stören. Die Idee dahinter bestand darin, die im Haus Westerhoff bauartbedingt eingeschränkte Präsentationsfläche (kleine Räume, oft mit wenig Licht von Außen) deutlich zu erweitern. Eine kleinformatige Fassung können Sie hier sehen (die Präsentation beginnt nach der
Ladezeit von einigen Sekunden).

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Zur Erinnerung gibt es ebenfalls ein kurzes
Ausstellungsvideo (7 Minuten), je nach
Rechnerleistung/Internetverbindung in relativ
geringer oder besserer Auflösung abrufbar:
 
Button - Ausstellungsvideo 0768x432p
 
Button - Ausstellungsvideo 1280x720p


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